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Thema: Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht: Fragen und Bedenken

  1. #1
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    Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht: Fragen und Bedenken

    Das Bundesverfassungsgericht nimmt ein höchst umstrittenes Gesetz unter die Lupe: die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, die Pflicht der Telekommunikationsanbieter, die Verbindungs- und Standortdaten ihrer Kunden zu speichern. Das Bundesverfassunggericht sieht sich mit einer nie dagewesenen Zahl von Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung konfrontiert: Allein eine der mehreren anhängigen Verfassungsbeschwerden wird von über 34.000 Bürgern unterstützt. Unter anderem aus Sorge um das informationelle Selbstbestimmungsrecht haben zudem Gewerkschaften und zahlreiche Parteien und einzelne Politiker geklagt. Dazu gehört neben den Altliberalen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch die jetzige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

    Ein Urteil soll es aller Voraussicht nach erst im Frühjahr geben; der Senat hatte aber bereits mit zwei einstweiligen Anordnungen die Anwendbarkeit des Gesetzes eingeschränkt. Zwar darf gespeichert werden, abrufbar sind die Daten jedoch nur zur Verfolgung schwerer Straftaten und zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier betonte zu Beginn der Anhörung (die noch bis in die Nacht hinein andauern dürfte), die Beschwerden würden grundlegende Fragen zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit aufwerfen und stellte die Vorratsdatenspeicherung in eine Reihe mit dem "Großen Lauschangriff", der Telefonüberwachung und der Online-Durchsuchung. Bei allen diesen Überwachungsmaßnahmen hatte das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber korrigiert und ihn zu massiven Beschränkungen der Vorhaben gezwungen. Im Rahmen der Entscheidung zur heimlichen Online-Durchsuchung schuf das Verfassungsgericht gar ein neues Grundrecht auf "Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme". [Update: Insgesamt haben die Karlsruher Verfassungsrichter Zweifel an der weitreichenden Nutzbarkeit der Daten erkennen lassen. Das Gericht will nun grundsätzlich über die Zulässigkeit der Speicherpflicht entscheiden.]

    Burkhard Hirsch hielt zu Beginn der Anhörung ein flammendes Plädoyer gegen die Vorratsdatenspeicherung. Was die Bundesregierung eingeläutet habe, sei eine Zeitenwende im negativen Sinne, ein Dammbruch. [Update: Der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik, der rund 34 900 Kläger vertritt, mahnte eindringlich: "Ist dieser Weg einmal freigegeben, ist die gesamte Erfassung des Alltags die Folge." Der Grünen-Politiker Volker Beck, der mit mehr als 40 Abgeordneten seiner Partei in Karlsruhe geklagt hat, warnte vor einem "schwarzen Tag für die Magna Charta des Datenschutzes".]

    Christoph Möllers, Bevollmächtigter der Bundesregierung im Verfahren, räumte ein, dass die Regelung zur Vorratsdatenspeicherung das grundrechtlich garantierte Telekommunikationsgeheimnis einschränkt. Allerdings überwiege die Schutzpflicht des Staates gegenüber seinen Bürgern, das Verhältnis sei gewahrt. [Update: Die Vertretung der Bundesregierung machte insgesamt keine sonderlich gute Figur . Dazu passt, dass der Vorsitzende Richter Papier im späteren Verlauf wörtlich zu Protokoll gab: "Der Senat ist verwundert, dass er für das angegriffene Gesetz heute keinen politischen Verantwortlichen hat finden können, der es verteidigt."]

    Im weiteren Verlauf hörte der Senat einige Stellungnahmen von Sachverständigen an, um die tatsächliche Einschränkungen zu erörtern. Constanze Kurz vom Chaos Computer Club etwa warnte vor der Gefahr, dass die Daten zu kommerziellen Interessen missbraucht und mit anderen Datensätzen kombiniert werden könnten. Außerdem wies sie auf die Gefahr hin, dass die Verkehrsdaten mit immer genauer werdenden Lokalisierungen schon beim Provider gespeichert werden könnten. Ergebnis könnten dann präzise Bewegungs- und Sozialprofile von Bürgern sein. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bekräftigte derlei Befürchtungen. Ein großes Mobilfunkunternehmen habe seiner Behörde bestätigt, neben neben den Verbindungdaten auch Daten zur genutzten Funkzelle abzuspeichern. Die Regelung im Telekommunkationsgesetz sei so unklar, dass die Provider eher weit mehr speichern als gefordert.

    Beobachter der Anhörung überraschte, wie kritisch einige Senatsrichter den Bevollächtigten der Bundesregierung befragten. Mehrmals sah sich Christoph Möllers mit der Frage konfrontiert, ob die Erhebung der Verbindungsdaten vielleicht erst der Anfang sei. Warum man nicht gleich Verleihdaten in Bibliotheken oder Fluggastdaten auf Vorrat speichern wollte, wollte ein Richter wissen. Die Antwort blieb Möllers bislang schuldig. "Ich möchte den Gesetzgeber fragen, wo er die Grenzen sieht für eine solche Speicherung", sagte Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt – und warf damit die Grundsatzfrage auf, ob der Staat einen derart gigantischen Datenvorrat überhaupt anlegen darf. "Kann man alle Daten erstmal speichern, ohne dass es ein Eingriff in Grundrechte ist?"

    Die konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung erörterte das Bundesverfassungsgericht ebenfalls. Unabhängige Experten, Datenschutzbeauftragte und Povidervertreter referierten über Datensicherheitsaspekte. Der Dresdener Informatikprofessor Andreas Pfitzmann erklärte, Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten gefährde und schwäche eine demokratischen Gesellschaft deutlich. "Sie ist aus technischer Sicht die unangemessenste aller in Diskussion befindlichen Maßnahmen im Bereich Strafverfolgung und Gefahrenabwehr." Im weiteren Verlauf beleuchtete das Gericht den zweiten Themenkomplex, nämlich die Nutzung der Daten. Stellung nehmen unter anderem die Chefs von BSI, BKA und Bundesnetzagentur. Außerdem kamen Vertreter der Medienindustrie zu Wort.

    [Update: Jan Florian Drücke, Leiter Recht und Technik beim Bundesverband Musikindustrie, zitierte aus der bekannten Brennerstudie. Pro legalem Download eines Musikstücks seien acht rechtswidrige Downloads zu verzeichnen. Man könne die illegalen Dateitauschvorgänge beweissicher dokumentieren, es fehlten eben nur Name und Anschrift des Nutzers. Und da das "Internet kein rechtsverfolgungsfreier Raum" sei, käme die Vorratsdatenspeicherung den Rechteinhabern zugute. Auch nach Ansicht des Vertreters des Börsenvereins des deutschen Buchhandels dürfe "sich informationelle Selbstbestimmung nicht vollständig gegen Urheberrecht durchsetzen."

    Die obersten Polizeibehörden plädierten erwartungsgemäß für die Beibehaltung der sechsmonatigen Speicherungsfrist. BKA-Präsident Jörg Ziercke nannte zahlreiche Beispiele von Verbrechen, bei denen es für die Ermittlungsergebnisse besser gewesen wäre, wenn die Ermittler Zugriff auf die Vorratsdaten gehabt hätten. Das Internet dürfe kein verfolgungsfreier Raum werden, betonte auch er.]

    Mit einem Urteil wird in zwei bis drei Monaten gerechnet. Der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum rechnet damit, dass die Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung auf keinen Fall Bestand haben wird. "Die Vorratsdatenspeicherung ist ausnahmslos grundgesetzwidrig", sagte Baum der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen.

    Mit der seit 2008 geltenden Pflicht zur Speicherung der Daten hatte die frühere große Koalition eine Richtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2006 umgesetzt. Seit dem 1. Januar 2008 müssen Telefonanbieter Verbindungs- und Standortdaten ihrer Kunden verdachtsunabhängig aufbewahren (§ 113a TKG). Für die Internetprovider galt eine Übergangsfrist bis Januar 2009. Bei dieser Vorratsdatenspeicherung müssen Telekommunikationsanbieter sechs Monate lang speichern, wer mit wem wann telefoniert hat. Bei Mobilfunkgesprächen wird auch archiviert, von wo aus telefoniert wurde. Konkret gespeichert werden Rufnummer, Uhrzeit, Datum der Verbindung und – bei Handys – der Standort zu Beginn des Gesprächs. Bei Internet-Nutzern werden Daten zum Zugang (IP-Adresse) sowie zur E-Mail-Kommunikation und Internet-Telefonie erfasst. Der Kommunikationsinhalt oder der Aufruf einzelner Internetseiten sollen nicht gespeichert werden. Zugriff haben Polizei und Staatsanwaltschaft. Dafür brauchen sie in der Regel einen Richterbeschluss. Aber auch Geheimdiensten stehen die Vorratsdaten prinzipiell offen. In mehreren Verfügungen haben die Verfassungsrichter den Zugriff der Ermittler aber bis zu einer Entscheidung über die Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung stark eingeschränkt.

    Quelle: Heise.de
    Geändert von Dynamite (16.12.2009 um 10:51 Uhr)

  2. #2
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    Karlsruhe kippt Vorratsdatenspeicherung

    Die Massen-Speicherung von Telefon- und Internetdaten zur Strafverfolgung ist unzulässig. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied am Dienstag, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen die Verfassung verstößt. Sie ist dem Urteil zufolge mit dem Telekommunikationsgeheimnis unvereinbar.

    [Update: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird aus Sicht der Verfassungsrichter nicht gewahrt. Außerdem mangele es an einer Sicherheit für die Daten und es gebe keine konkreten Angaben, wofür die Daten gebraucht werden sollen. Ferner kritisierten die Richter eine mangelnde Transparenz des Gesetzes.

    Das Karlsruher Urteil schließt eine Speicherung der Daten jedoch nicht generell aus. Die deutschen Verfassungsrichter stellten nicht die Zulässigkeit der EU-Richtlinie in Frage, die Grundlage für das Gesetz in Deutschland ist. Bei der Speicherung handele es sich aber "um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt". Darum müsste ein derartiger Eingriff an strengste Bedingungen geknüpft werden. Diese Voraussetzungen erfüllt das deutsche Gesetz laut dem Urteil nicht.]

    [2. Update: Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschriften der Paragraphen 113 a und b TKG sowie 100 g Abs. 1 Satz 1 StPO im Hinblick auf die Erfassung von Verkehrsdaten insgesamt für nichtig erklärt. Das Gericht präzisiert dies in einer Pressemitteilung noch: "Demzufolge können die Vorschriften auch nicht in eingeschränktem Umfang übergangsweise weiter angewendet werden, sondern verbleibt es bei der gesetzlichen Regelfolge der Nichtigerklärung." Für die Speicherung der Vorratsdaten fehlt damit eine gesetzliche Grundlage, die Speicherung ist also einzustellen, die erhobenen Daten unverzüglich zu löschen.]

    Die mündliche Verhandlung zu den Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung fand am 15. Dezember 2009 statt. Nachdem das Gericht in der Vergangenheit Sicherheitsgesetze der Regierung deutlich beschränkt hat, war die Frage, ob die Richter einen ähnlichen Weg gehen – oder ob sie die Speicherung komplett für verfassungswidrig erklären. In Eilentscheidungen hatten sie die Massen-Speicherung von Telefon- und Internetdaten zwar vorerst gebilligt, deren Nutzung zur Strafverfolgung aber deutlich eingeschränkt.

    Nach dem Gesetz werden seit 2008 Verbindungsdaten aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung sowie Handy-Standortdaten sechs Monate lang gespeichert. Abrufbar sind sie für Zwecke der Strafverfolgung sowie der Gefahrenabwehr. Im umfangreichsten Massenklageverfahren in der Geschichte des Gerichts hatten fast 35.000 Bürger Beschwerde gegen das seit 2008 geltende Gesetz eingelegt, das eine EU-Richtlinie umsetzt. Es gibt drei Klägergruppen. Eine von ihnen vertritt der FDP-Politiker Burkhard Hirsch. Der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik vertritt rund 34.900 Kläger. Der Grünen-Politiker Volker Beck hat mit mehr als 40 Abgeordneten seiner Partei Beschwerde eingelegt. Über gut 60 Verfahren wurde im vergangenen Dezember in Karlsruhe exemplarisch verhandelt.

    Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, hatte vor der Urteilsverkündung im ARD-"Morgenmagazin betont: "Es geht nicht um Übermut des Gesetzgebers, der Bürgerrechte einschränken will. Die Nutzung von Telekommunikationseinrichtungen wird heute immer stärker zur Begehung und Planung von Straftaten genutzt." Der FDP-Innenexperte Hirsch sagte im Bayerischen Rundfunk: "Ich bin der festen Überzeugung, dass die jetzige Regelung verfassungswidrig ist und ich glaube, dass das Verfassungsgericht auch so entscheiden wird." Dem Radiosender NDR Info sagte Hirsch: "Ich denke, dass der Staat jetzt schon die Möglichkeit hat, die Verbindungsdaten dann nachzuforschen und zu prüfen, wenn er gegen einen Bürger einen konkreten Verdacht hat." Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hatte vor der Urteilsverkündung gesagt: "Man hat den Eindruck, dass der Staat sich mehr und mehr als Krake und Nimmersatt geriert." (anw)

    Quelle: Heise.de
    Geändert von Dynamite (02.03.2010 um 11:49 Uhr)

  3. #3
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    Urteil zur Vorratsdatenspeicherung lässt weiten Interpretationsraum

    Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung ist eine Entscheidung, die es anscheinend vielen Seiten recht macht. Viele Interessenvertreter haben sich rasch daran gemacht, aus dem 60-seitigen Beschluss der Karlsruher Richter das ihnen Naheliegende herauszupicken. Selbst der Bundesverband Musikindustrie, dessen Mitglieder seit Langem zur Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen an die Vorratsdaten heran wollen, hat treffliche Aspekte in der Urteilsbegründung entdeckt. So werde darin etwa "ein gesteigertes Interesse an der Möglichkeit" beschrieben, "Kommunikationsverbindungen im Internet zum Rechtsgüterschutz oder zur Wahrung der Rechtsordnung den jeweiligen Akteuren zuordnen zu können".

    Die Vertreter der Musikindustrie erfreut die Feststellung des Gerichts, dass "in einem Rechtsstaat auch das Internet keinen rechtsfreien Raum bilden darf". Die Möglichkeit einer individuellen Zuordnung von Internetkontakten bei Rechtsverletzungen "von einigem Gewicht" sei deshalb ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers. Soweit für Auskünfte durch die Provider bei der Verwendung dynamischer IP-Adressen Verbindungsdaten ausgewertet werden müssten, gebe es keine prinzipiellen Bedenken. Die Musikindustrie sieht sich damit darin bestätigt, dass es möglich sein müsse, "Rechtsverletzer im Netz ermitteln zu können".

    Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, kann dem Beschluss ebenfalls Gutes abgewinnen. Der CSU-Politiker freute sich über die endlich erreichte "notwendige Rechtssicherheit". Das Urteil lasse die grundsätzliche Speicherung der für die Arbeit der Sicherheitsbehörden unverzichtbaren Daten zu. Auskünfte über Vorratsdaten seien "bei einer ganzen Reihe schwerwiegender Straftaten möglich". Das Justizministerium sieht Uhl im Einklang mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gefordert, "unverzüglich verfassungskonforme Regelungen vorzulegen". Peter Altmaier, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, hatte sich zuvor dagegen "ausdrücklich nicht froh" über die Entscheidung gezeigt.

    Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die zu den Klägern in Karlsruhe gegen das Gesetz aus der Zeit der großen Koalition gehörte, sprach von einem "wirklichen Tag zur Freude". Für weitere anlasslose Datensammlungen auf EU-Ebene wie die Speicherung von Flugpassagierdaten sei der Spielraum damit geringer geworden. Zusammen mit der EU-Kommission müsse nun das weitere Vorgehen beraten werden. Grund zu eiligen Reaktionen bestehe nicht, das Urteil müsse erst genau geprüft werden. Schwarz-Gelb steuert damit wohl auf eine neue koalitionsinterne Konfrontation zu. Die EU-Kommission forderte unterdessen heute von Deutschland rasche Bewegung.

    Unter Datenschützern gibt es geteilte Meinungen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar misst dem Richterspruch weitreichende Bedeutung zu. Er verpflichte den Staat nicht nur, sich selbst bei der Datensammlung zurückzunehmen. Vielmehr sei er auch angehalten, die Bürger vor unangemessenen Datenspeicherungen durch Unternehmen zu schützen. Sämtliche vorsorgliche Datenansammlungen für unbestimmte Zwecke müssten geprüft werden. Schaar interpretierte die Entscheidung zugleich als Signal an Brüssel, die EU-Vorgaben zur anlasslosen Protokollierung von Nutzerspuren zurückzunehmen. Aus Brüssel war dem entgegen zu vernehmen, dass die EU-Kommission auf europäischer Ebene keinen Anlass zu handeln sieht.

    "Das Bundesverfassungsgericht hat hier wirklich die Argumentation der Datenschützer übernommen", erklärte der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert der dpa. Nun müssten weitere Entscheidungen und Pläne auf nationaler und europäischer Ebene noch einmal überprüft werden. Dazu gehöre das zunächst nur auf Eis gelegte SWIFT-Abkommen über die Weitergabe von Bankdaten. Weicherts Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Karsten Neumann, gab aber zu bedenken, dass der Beschluss eine "Hintertür" für eine künftige Regelung der Vorratsdatenspeicherung aufgestoßen habe.

    Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der die "Massenbeschwerde" in Karlsruhe organisiert hatte, fordert ebenfalls einen "Stopp der flächendeckenden Überwachung in ganz Europa". Die Bürgerrechtsvereinigung Humanistische Union hält nun eine Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof für nötig, ob nicht doch bereits mit der grundsätzlichen Anordnung der Speicherung der TK-Daten auf Vorrat ein Grundrechtseingriff vorliege.

    Für die Linken stellt das Urteil einen "Knockout für die uferlosen Überwachungsträume der Big-Brother-Parteien" dar. Es sei ist eine wichtige Entscheidung "zur Wahrung der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit", lobte Jan Korte aus dem Fraktionsvorstand. Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, freute sich über einen "großen Sieg für die Bürgerrechte". Allerdings sei das Gericht nicht weit genug gegangen. In der entscheidenden Frage, ob eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt zulässig sei, habe sich Karlsruhe nicht zu einem klaren Nein durchringen können. Zuvor hatte Grünen-Chefin Claudia Roth den "sehr guten" Beschluss als "Klatsche für den Gesetzgeber" gewertet.

    Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht in dem Urteil eine "schallende Ohrfeige" für die politischen Verantwortlichen – und ist sich damit zunächst einig mit der Piratenpartei. Während diese aber als weiteren Schritt das endgültige Aus für die Vorratsdatenspeicherung verlangt, moniert die GDP, dass erneut "eine schlampige Gesetzesformulierung" der Polizei ein notwendiges Ermittlungsinstrument "aus der Hand geschlagen" habe. Es müsse daher "unverzüglich" ein den Auflagen voll entsprechendes Gesetz vorgelegt werden. Die Hürden seien aber wohl so hoch gelegt, dass eine Abfrage zur polizeilichen Gefahrenabwehr kaum mehr infrage komme.

    Branchenverbände wie der Bitkom, der VATM oder der eco begrüßten die Karlsruher Ansage im Kern. Das Gericht habe damit den Sorgen vieler Internet- und Telefonkunden Rechnung getragen. Zugleich fürchten die Wirtschaftsvertreter aber, auf den hohen Kosten für die bereits erfolgten Hilfssheriffsleistungen sitzen zu bleiben oder mit noch höheren Aufwendungen für Folgeregelungen mit deutlich besserem Schutzniveau konfrontiert zu werden. Die Entscheidung des Gerichts zur Entschädigung der Provider sei höchst unbefriedigend, beklagte eco-Chef Michael Rotert. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, um Standortnachteile zu verhindern. (Stefan Krempl) / (anw)

    Quelle: Heise.de

  4. #4
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    EU will Datenspeicherungsrichtlinie überprüfen

    Die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström plant nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsspeicherung eine Überprüfung der EU-Richtlinie zur Datenspeicherung. "Ich will die Direktive bis Ende des Jahres evaluieren lassen", sagte Malmström der Zeitung Die Welt. "Da werden wir uns nicht nur ansehen, ob sie angemessen und effektiv ist und wie hoch die Kosten sind. Sondern auch, ob sie mit der Grundrechtecharta des Lissabon-Vertrags vereinbar ist." Der Reformvertrag der Europäischen Union war Ende 2009 in Kraft getreten.

    Die schwedische EU-Kommissarin sagte, dass der Nutzen der EU-Richtlinie für den Anti-Terror-Kampf und zur Bekämpfung der Kriminalität noch nicht abschließend bewertet werden könne. Als Grund nannte sie, dass die Direktive in einigen EU-Staaten noch nicht umgesetzt worden sei. In den Ländern, wo sie umgesetzt wurde, sagten die Behörden, dass sie nützlich sei, erläuterte die liberale Politikerin.

    Die Karlsruher Richter hatten am Dienstag geurteilt, dass die Vorratsdatenspeicherung, die auf Grundlage der EU-Richtlinie Ende 2007 von der damaligen großen Koalition beschlossen worden war, in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig ist. Die EU-Richtlinie wurde jedoch nicht in Frage gestellt. Während die Union rasch ein neues, am Urteil des Bundesverfassungerichts orientiertes Gesetz auf den Weg bringen will, will sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nicht unter Druck setzen lassen.

    Gegner von Vorratsdatenspeicherungen wollen nun auch die EU-Richtlinie zu Fall bringen. "Andere Länder profitieren von diesem Urteil nicht, also wollen wir unseren Protest über die Grenzen ausweiten", hatte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung nach dem Karlsruher Urteil mitgeteilt und angekündigt, auch europaweit gegen das massive Speichern von Kommunikationsdaten kämpfen zu wollen. (dpa) / (anw)

    Quelle: Heise.de

  5. #5
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    Schaar: Auch Google betreibt Vorratsdatenspeicherung

    Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung fordert der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, auch für Firmen wie Google oder Facebook strengere Regeln. "Private Datensammlungen großer Unternehmen, zum Beispiel von Google, sind ja schon viel genauer, umfangreicher und aussagekräftiger als das, was durch eine staatlich verordnete Speicherung erfasst wird", sagte Schaar dem Focus. "Was Google macht, ist auch eine Art Vorratsdatenspeicherung, das kann ich nicht anders sehen."

    Schaar zeigte sich zudem skeptisch, dass es zu einer schnellen Neufassung der gestoppten verdachtslosen Speicherung kommt. "Die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung haben bislang nicht nachgewiesen, dass dieses Instrument bei der Verhinderung oder Aufklärung schwerer Straftaten unverzichtbar ist", sagte Schaar. "Auch die Bundesregierung argumentierte überwiegend mit Fällen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes."

    Neben Schaar hat auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner ihre Kritik an Googles Datensammelpraxis erneuert und ihre Forderungen konkretisiert. Es sei nicht akzeptabel, dass Bürger sich erst im Netz informieren müssten, ob ihr Haus für den Google-Dienst Street View fotografiert und ins Web gestellt worden sei. Dem Spiegel sagte Aigner: "Google muss die breite Öffentlichkeit über das Projekt und die Widerspruchsmöglichkeiten informieren, etwa mit Anzeigen in der Presse". Der Internetkonzern müsse akzeptieren, dass ein Teil der Gesellschaft das Netz nicht nutze. Aigner hatte bereits vergangene Woche gefordert, dass Street View erst nach einer Frist online geht, in der die Bürger sich gegen das Abfotografieren ihrer Umgebung wehren können.

    Bislang informiert Google die Öffentlichkeit auf einer Webseite über die Einspruchsmöglichkeiten. Demnach arbeitet das Unternehmen an einer "Funktion, [...] mit der jeder der Veröffentlichung einer Abbildung seines Hauses widersprechen kann". Diese soll "rechtzeitig vor der Veröffentlichung" zur Verfügung stehen. Widersprüche per E-Mail und auf dem klassischen Postweg nimmt Google aber bereits entgegen. Bereits in Street View veröffentlichte Bilder können Nutzer direkt aus dem Dienst heraus beanstanden.

    Gegen Street View regt sich auch auf kommunaler Ebene weiter Widerstand . Der Bürgermeister der Gemeinde Kernen im Remstal (Rems-Murr-Kreis) hat Google aufgefordert, auf die Befahrung der Straßen in Kernen und die Veröffentlichung der Bilder im Internet zu verzichten. Grund waren zahlreiche Anfragen von besorgten Bürgern. "Zwar haben wir als Gemeinde keine datenschutzrechtliche Grundlage, die Aufnahmen zu verbieten. Dennoch war es mir wichtig, Google den Willen der Gemeinde mitzuteilen", sagte Bürgermeister Stefan Altenberger der dpa. (dpa) / (cwo)

    Quelle: Heise.de

  6. #6
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    Bürgerrechtler starten Kampagne gegen neue Vorratsdatenspeicherung

    Nach lauten Rufen aus der Polizei und von CDU/CSU nach einem neuen Gesetz zur anlasslosen Protokollierung von Nutzerspuren hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zu einer Gegenaktion aufgerufen. Der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, der über 34.000 Menschen zum Gang nach Karlsruhe bewegen konnte, hat dazu eine Kampagnenseite eingerichtet. Dort können Gegner über eine "Meinungsmaschine" offene Briefe an alle Bundestagsabgeordnete der schwarz-gelben Koalition unter anderem per E-Mail verschicken, um sich gegen die Wiedereinführung der vom Bundesverfassungsgericht gestoppten Vorratsdatenspeicherung und für eine Abschaffung der EU-Pflicht zur verdachtsunabhängigen Datensammlung einzusetzen. Darüber hinaus ist eine nach Postleitzahlen durchsuchbare Liste mit Telefonnummern der Abgeordneten verfügbar.

    Klaus Jansen, Bundesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK), hatte sich in einem offenen Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vom Wochenende "konsterniert" gezeigt über das Karlsruher Urteil. Der Verzicht auf eine Übergangsregelung habe zu einem "Flurschaden" bei Kriminalitätsbekämpfung und Gefahrenabwehr geführt, dessen Tragweite noch nicht abschätzbar sei. Es seien bundesweit bereits hunderte Ermittlungsakten geschlossen worden, weil sie ohne die Nutzung der Verkehrsdaten nicht aufzuklären seien.

    Weiter beklagt Jansen, dass nicht so sehr das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, sondern vielmehr die "Durchführungsbestimmungen" der Bundesnetzagentur die Reaktion der Verfassungsrichter herausgefordert habe. Jansen unterstellte Politik und Justiz, von Lobbyisten aus der IT-Industrie oder vom Chaos Computer Club (CCC) abhängig zu sein. Merkel solle sich selbst "an die Spitze der Initiative für die sichere Nutzung der neuen Medien" setzen. Der Gesetzgeber brauche das Urteil aus Karlsruhe für eine Neuregelung der Datensammlung nur abzuschreiben.

    Der Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, Hans-Jörg Albrecht, sagte hingegen dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel, die Diskussion über vermeintliche Sicherheitslücken nach dem Beschluss sei "leicht hysterisch, politischen Interessen geschuldet und überhaupt nicht nachvollziehbar". Die aktuelle "Panikstimmung" sei "durch keinerlei Hinweis aus Forschung und Praxis belegt". Laut einem Rechtsgutachten der Freiburger nutzt die Vorratsdatenspeicherung der Strafverfolgung kaum.

    In diesem Sinne schreibt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, dass sich mit der Einführung der Vorratsdatenspeicherung 2008 hierzulande die Aufklärungsrate nicht erhöht habe. 2007 seien zudem ohne diese Praxis 84,4 Prozent aller in Deutschland registrierten Internetdelikte einschließlich der Verbreitung von Kinderpornographie erfolgreich aufgeklärt worden. Diese Zahl sei im Folgejahr nicht gestiegen. Die FDP müsse nun Wort halten und gemäß ihrem Wahlprogramm für die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung und der entsprechenden EU-Vorgabe kämpfen. (Stefan Kremp) / (anw)

    Quelle: Heise.de

  7. #7
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    Justizministerin: Keine schnelle Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung

    Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung, deren gesetzliche Regelung in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht verworfen wurde, bis zur parlamentarischen Sommerpause ausgeschlossen. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte sie: "Es ist vollkommen utopisch, bis zur Sommerpause eine Neuregelung zu erwarten. So funktioniert seriöse Gesetzgebung nicht." Sie wandte sich damit gegen Forderungen aus der Union. Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte erklärt, er halte es für möglich und nötig, bis zur Sommerpause einen Gesetzentwurf vorzulegen.

    Leutheusser-Schnarrenberger betonte dagegen: "Wir arbeiten momentan sehr sorgfältig und intensiv an einer grundlegenden Bewertung des Urteils. Es geht um weit mehr, als einige Sätze aus dem Karlsruher Urteil in ein Gesetz zu schreiben. Zu klären sind schwierige Fragen wie die der Datensicherheit und -speicherung sowie der Grenzen für den staatlichen Zugriff. Das ist eine sehr umfangreiche Aufgabe, für die ich mir keinen Zeitplan diktieren lasse." Die Justizministerin wies zudem erneut darauf hin, dass auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, deren Umsetzung in deutsches Recht durch das vom Verfassungsgericht aufgehobene Gesetz erfolgen sollte, derzeit überprüft werde. Die Bestandsaufnahme auf EU-Ebene solle bis zum Herbst vorliegen. Es bringe nichts, jetzt übereilt irgendetwas in ein neues Gesetz zu schreiben, das später auch europarechtlich keinen Bestand habe, sagte sie.

    Nach dem vom Verfassungsgericht aufgehobenen Gesetz wurden seit 2008 Verbindungsdaten aller deutschen Bürger aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung sowie Handy-Standortdaten sechs Monate lang gespeichert. Abrufbar waren sie für Zwecke der Strafverfolgung sowie der Gefahrenabwehr. Im umfangreichsten Massenklageverfahren in der Geschichte des Gerichts hatten fast 35.000 Bürger Beschwerde gegen das Gesetz eingelegt.

    Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte daraufhin am 2. März die Regelungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) und in der Strafprozessordnung (StPO) als unvereinbar mit dem Fernmeldegeheimnis des Artikels 10 des Grundgesetzes erklärt. Die von den Richtern festgestellte Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen wiegt so schwer, dass sie auch nicht im eingeschränkten Umfang übergangsweise weiter angewendet werden dürfen, sondern vollständig nichtig sind. Damit dürfen Provider seit dem Urteil nicht mehr auf Vorrat speichern; bereits vorhandene Daten mussten gelöscht werden.

    Quelle: Heise.de

  8. #8
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    Justizministerin hält Vorratsdatenspeicherung für verzichtbar

    Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hält eine Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten nicht unbedingt für erforderlich. "Andere Staaten kommen ohne Vorratsdatenspeicherung aus, zum Beispiel die USA", sagte die FDP-Politikerin dem "Hamburger Abendblatt". Dort werde die alternative "Quick-Freeze-Methode" angewendet, "also das Einfrieren der Daten bei vorliegendem Verdacht". Zudem seien in sechs EU-Staaten die Vorgaben aus Brüssel zur anlasslosen Protokollierung der Nutzerspuren nicht umgesetzt. Es sei zu prüfen, ob die entsprechende Richtlinie überhaupt mit der europäischen Grundrechtscharta vereinbar sei.

    Auf die Frage, ob das federführende Justizministerium eventuell gar keinen Gesetzesentwurf zur Neufassung der Vorratsdatenspeicherung anhand der Richtschnur des Bundesverfassungsgericht vorlegen werde, erklärte die Liberale: "Wir legen nicht die Hände in den Schoß." Aber das Urteil aus Karlsruhe müsse genau ausgewertet und in die europäische Entwicklung eingebettet werden. Bei einem eventuellen neuen gesetzgeberischen Vorstoß sei auf jeden Fall "die Notwendigkeit und die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten". Es wäre ihrer Ansicht nach aber "verantwortungslos, einen Zeitplan zu nennen". Den Mahnungen zur Eile ihres Kollegen im Innenressort, Thomas de Maizière, hielt die Juristin entgegen: "Ich dränge ihn ja auch nicht zu Gesetzen." Ihr Ziel ist es, "seriös" mit dem Beschluss des Verfassungsgerichts umzugehen.

    De Maizière selbst machte gegenüber der "Sächsischen Zeitung" die Ansage, dass sich in der Regierungskoalition bestenfalls "jeder um sein eigenes Ressort kümmert und sich mit anderen abstimmt, aber den anderen nicht so viel hineinredet". Auf diese Weise könne der noch nicht optimale Eindruck von der Arbeit von Schwarz-Gelb verbessert werden. Trotzdem übte er aber erneut Druck aus auf Leutheusser-Schnarrenberger mit der Forderung, "das Urteil zügig und klug in ein neues Recht" zu überführen. Prinzipiell stimme das Motto von früher, dass Polizisten auf die Straße müssten, angesichts neuer Kriminalitätsformen im Internet nur noch zum Teil: "Viele Straftaten müssen am Computer, also am Schreibtisch, aufgeklärt werden." (Stefan Krempl) / (ola)

    Quelle: Heise.de

  9. #9
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    Strafverfolger: Vorratsdatenspeicherung ist kein Allheilmittel

    Thomas Schell, Oberstaatsanwalt in Cottbus, hat den Zugriff auf IP-Adressen als wichtigen, aber nicht immer weiterführenden Ermittlungsansatz im Internet bezeichnet. Es handle sich bei den Netzkennungen "um kein Allheilmittel", räumte der in einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Datennetz-Kriminalität tätige Strafverfolger im Rahmen der Debatte um die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten ein. So könne man mit den Angaben zwar einen Anschlussinhaber ausfindig machen, ein Netzzugang werde häufig aber von verschiedenen Personen genutzt, meinte Schell am Mittwoch auf einem Kongress des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco und der Zeitschrift "MultiMedia und Recht".

    Im Prinzip handelt es sich beim Zugriff auf Nutzerdaten hinter IP-Adressen laut Schell um einen Anstoß für weitere Ermittlungen. So könne man im Anschluss etwa Durchsuchungen durchführen und PCs beschlagnahmen, um damit konkretere Hinweise auf einen Täter zu erhalten. Bei ausländischen Providern gestalte sich die Sache aber schwierig. Schon die Kooperation mit Zugangsanbietern in London sei schwierig, da es Probleme mit der Rechtshilfe gebe. Nur Anfragen bei schweren Straftaten würden hier zügig weitergeleitet. Ähnlich gestalte sich die Situation in Ost-Europa. Asien gehe zudem "gar nicht".

    Trotzdem müsse sich die Gesellschaft mit der Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzen, dass gerade Delikte im Bereich der unteren und mittleren Kriminalität wie die Ausspähung von Daten, Urheberrechtsverletzungen oder Beleidigungen im Internet "nicht mehr verfolgbar sind". Es gebe zwar noch andere Wege der Strafverfolger etwa über die Auswertung von E-Mail-Adressen. Dabei würde man in der Regel aber auch wieder nur bei IP-Adressen oder bei falsch angegebenen "Bestandsdaten" kostenloser Maildienste landen. Für die Nachverfolgung aktueller Zugriffe auf ein Postfach wiederum gälten die recht hohen Anforderungen der Strafprozessordnung, sodass auch hier bei mittlere Straftaten nicht weiter ermittelt werden könne. Oft helfe den Strafverfolgern so nur die Tatsache weiter, dass etwa Anbieter sozialer Netzwerke IP-Adressen "sowieso mitloggen".

    Diese Praxis sei freilich rechtswidrig, stellte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar klar. Nutzungsdaten wie IP-Adressen müssten laut Telemediengesetz (TMG) von den entsprechenden Firmen nach Inanspruchnahme des Dienstes gelöscht werden. Die Karlsruher Richter hätten IP-Adressen auch nur deswegen als "weniger bedeutsam" angesehen, weil diese nicht auf der Serverseite über längere Zeit hinweg registriert würden. Falls die Netzkennungen aber doch von den Anbietern "lückenlos" aufbewahrt würden, seien diese als besonders schutzwürdiges personenbezogenes Datum zu behandeln. Man könne dann schließlich Rückschlüsse auf die Kontexte einzelner Nutzungsvorgänge ziehen, was dem Fernmeldegeheimnis unterfalle.

    Weiter betonte Schaar, dass auch in der physischen Welt nicht alle Straftaten aufzuklären seien. So gebe es etwa kaum Spuren bei Brandanschlägen auf Autos. Trotzdem würde niemand dafür plädieren, jeden Verkauf von Streichhölzern oder Spiritus registrierungspflichtig zu machen. "Hoch organisierte Straftäter" seien ferner im Internet in der Lage, sich der Strafverfolgung auch bei der verdachtsunabhängigen Speicherung von IP-Adressen zu entziehen. Es handle sich somit nicht um einen "Universalschlüssel", ging der Datenschützer mit Schell konform.

    Prinzipiell sprach sich Schaar dafür aus, das "Gouvernantenhafte" des Datenschutzes zu beenden und stattdessen "verstärkte Vorgaben" etwa für Transparenz in der digitalen Welt zu machen, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht zu sichern. Die Durchsetzung entsprechender Verhaltenskodizes von Staat und Wirtschaft wie das "Safe Harbour"-Abkommen mit den USA müssten dann aber auch international gewährleistet werden. Parallel hätten auch Werber, die Nutzerprofile erstellen und den Surfern verhaltensbezogene Anzeigen servieren, die Entscheidungsfreiheit der Betroffenen zu achten und deren Einwilligung abzufragen.

    Aus Providersicht unterstrich Nikolaus Bertermann, Justiziar bei Strato, dass es die "Masse" der Datensammlung im Rahmen der vom Verfassungsgericht zunächst gestoppten sechsmonatigen Protokollierung der Nutzerspuren nicht brauche. So habe der Anbieter zwar "über vier Terabyte Daten" angehäuft, was dem achttausendfachen Umfang der Bibel entspräche. Es habe aber "keine einzige Anfrage" der Ermittler gegeben. Die Anfragen von Kunden zum Datenschutz seien dagegen in den vergangenen Monaten enorm angestiegen.

    Gerhart Baum, früherer Bundesinnenminister und einer der Kläger gegen die Vorratsdatenspeicherung, bezeichnete es als unerlässlich, "gesetzliche Schutzräume zu erhalten, in denen wir uns dann bewegen können". Es gelte, "Versuchungen zur Unfreiheit" zu widerstehen. Sicherheit dürfe nicht als "absolutes Ziel" festgesetzt werden, sondern müsse immer einen "Bezugspunkt zur Freiheit" wahren. Sicherlich gebe es nun eventuell "Lücken" bei der Strafverfolgung. Diese seien aber "Ergebnis der Abwägung" mit den Grundrechten. Zugleich machte der Liberale deutlich, dass ihm ein komplettes Aus für die Vorratsdatenspeicherung lieber gewesen wäre und Karlsruhe den Konflikt mit der EU hätte eingehen müssen. Das Urteil sei "nicht aus einem Guss". Es habe zwar klargemacht, dass der Spielraum für vergleichbare Überwachungsmaßnahmen in Europa nahezu ausgeschöpft sei. Trotzdem fürchte er, dass die Begehrlichkeiten für "Datensammlungen en masse" weiter groß blieben.

    Auch der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler, äußerte die Vermutung, "dass auf Verdacht das gespeichert wird, was technisch machbar ist". Man werde daher die Debatte über mögliche Änderungen an den EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung "kritisch begleiten". Der Hinweis aus Karlsruhe auch an den EU-Gesetzgeber, "Maß walten zu lassen", sei in Brüssel angekommen. Am Ende werde es dann aber eine Verpflichtung geben, "das umzusetzen, was Ergebnis der Auseinandersetzung" auf EU-Ebene sei. (Stefan Krempl) / (jk)

    Quelle: Heise.de

  10. #10
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    Verfassungsgericht: "Massenklage" gegen Vorratsdatenspeicherung war unnötig

    Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit seinem Grundsatzurteil zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten erklärt, dass es der Sammelbeschwerde von insgesamt knapp 35.000 Bürgern gegen die Überwachungsmaßnahme nicht bedurft hätte. Die Einreichung der Vollmachten acht repräsentativ ausgewählter Erstbeschwerdeführer durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt Meinhard Starostik hätte ausgereicht, geht aus einem jetzt vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) veröffentlichten einstimmigen Beschluss (PDF-Datei) der Karlsruher Richter vom 22. März hervor.

    In dem Beschluss lehnt der zuständige Erste Senat den Antrag auf Anordnung der Erstattung der Gerichtsauslagen für die "Massenklage" ab. Zur Begründung heißt es, dass sich die Mitstreiter den bereits eingelegten Verfassungsbeschwerden in dem Verfahren lediglich angeschlossen hätten. Dies wäre aber nicht wegen verfassungsrechtlich relevanter Besonderheiten oder noch nicht geltend gemachter tragender rechtlicher Gesichtspunkte zur Klärung der Rechtslage erforderlich gewesen. Dass von der Mitzeichnung der Klagen gegen die verdachtsunabhängige Protokollierung der Nutzerspuren durch zehntausende Bürger eine gewisse Symbolik ausgegangen sein könnte, zieht das Verfassungsgericht in der Entscheidung nicht mit in Betracht.

    Vom AK Vorrat war unterdessen zu hören, dass die Sammel-Beschwerdeführer trotzdem nicht nachträglich zur Kasse gebeten würden. In Karlsruhe ist derweil bereits die nächste Massenklage gegen eine andere Form der Vorratsdatenspeicherung anhängig, nachdem sich über 22.000 Bürger an einer Sammelbeschwerde gegen das Verfahren für den elektronischen Entgeltausweis (Elena) beteiligten. (Stefan Krempl) / (anw)

    Quelle: Heise.de

  11. #11
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    Update: Starostik selbst betonte mittlerweile, dass Karlsruhe lediglich entschieden habe, "dass kostenrechtlich die Beteiligung der weiteren 39.443 Beschwerdeführer nicht zu einer Belastung der Bundesrepublik führt". Die Sache sei mit dem Urteil schlichtweg "erledigt" im Sinne von funktionslos geworden. Allen Beschwerdeführern sei Recht gegeben worden. (Stefan Krempl) / (anw)

    Quelle: Heise.de

  12. #12
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    Vorratsdatenspeicherung: Zivilgesellschaft fordert endgültige Abschaffung

    Der Streit um die Speicherung der Telekommunikations- und Internet-Verbindungsdaten aller deutschen Bürger auf Vorrat ist noch lange nicht ausgestanden. Nachdem in den vergangenen Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Strafverfolgern immer wieder Forderungen nach einer schnellen Neuregelung erhoben wurden und die Politik sich darüber stritt, ob eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt notwendig sei und ob sie möglichst schnell neu geregelt werden müsse, melden sich nun 48 zivilgesellschaftliche Organisationen zu Wort. Sie fordern eine vollständige Abschaffung aller Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung, auch auf EU-Ebene.

    Nach dem vom Verfassungsgericht aufgehobenen Gesetz, das eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umsetzte, wurden seit 2008 Verbindungsdaten aller deutschen Bürger aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung sowie Handy-Standortdaten sechs Monate lang gespeichert. Abrufbar waren sie für Zwecke der Strafverfolgung sowie der Gefahrenabwehr. Im umfangreichsten Massenklageverfahren in der Geschichte des Gerichts hatten fast 35.000 Bürger Beschwerde gegen das Gesetz eingelegt.

    Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte daraufhin am 2. März die Regelungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) und in der Strafprozessordnung (StPO) als unvereinbar mit dem Fernmeldegeheimnis des Artikels 10 des Grundgesetzes erklärt. Die von den Richtern festgestellte Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen wiegt so schwer, dass sie auch nicht im eingeschränkten Umfang übergangsweise weiter angewendet werden dürfen, sondern vollständig nichtig sind. Damit dürfen Provider seit dem Urteil nicht mehr auf Vorrat speichern; bereits vorhandene Daten mussten gelöscht werden. Allerdings hat das Gericht die Vorratsdatenspeicherung nicht für schlechthin unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt; Juristen und Datenschützer sprachen daher teilweise schon von einem Pyrrhussieg für den Datenschutz. Jedoch sind für die Karlsruher Richter enge Auflagen für die praktische Ausgestaltung unbedingt erforderlich.

    Eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung lehnen die Organisationen, die sich nun mit einem gemeinsamen Brief an Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gewandt haben, ab. Sie fordern Leutheusser-Schnarrenberger zudem auf, "sich auf europäischer Ebene klar für eine Abschaffung der EU-Mindestvorgaben zur Vorratsdatenspeicherung einzusetzen". Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung setze "vertrauliche Tätigkeiten und Kontakte etwa zu Journalisten, Beratungsstellen und Geschäftspartnern dem ständigen Risiko eines Bekanntwerdens durch Datenpannen und - missbrauch aus, ziehe unvertretbare Kosten nach sich und behindere die Kommunikationsfreiheit unzumutbar", erklärten die Organisationen in ihrem Schreiben. Derzeit prüft die EU-Kommission, ob die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung überarbeitet werden soll.

    "Der 2005 beschlossene EU-weite Zwang zur flächendeckenden Verbindungsdatenspeicherung hat sich überlebt", kommentiert Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Eine Vorratsdatenspeicherung hat sich in vielen Staaten in und außerhalb Europas als überflüssig, schädlich und verfassungswidrig erwiesen." Der Jurist hatte kürzlich erst für eine bessere Zusammenarbeit von Providern für einen "Quick Freeze"-Ansatz eingesetzt: Es gebe ein "gemeinsames Interesse daran", dass hierzulande "Internetdelikte auch ohne Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt werden können", erlärte er gegenüber dem Provider-Verband eco.

    Nach Ansicht der an dem Schreiben an Leutheusser-Schnarrenberger beteiligten Organisationen erwarten Rechtsexperten erwarten, "dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Anschluss an den Verfassungsgerichtshof Rumäniens eine Pflicht zur verdachtslosen Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention erklären wird." EU-Justizkommissarin Viviane Reding und EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hätten bereits eine Überprüfung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf ihre Übereinstimmung mit der EU-Grundrechtecharta angekündigt. Daher appellieren die Organisationen an die Bundesjustizministerin, sich "grundsätzlich von der Forderung nach einer neuerlichen umfassenden und verdachtsunabhängigen Speicherung von Telekommunikationsdaten zu distanzieren". Sie solle stattdessen sich "auf europäischer Ebene klar für eine Abschaffung der EU-Mindestvorgaben zur Vorratsdatenspeicherung" einsetzen.

    Zu den Unterzeichnern des Schreibens zählen neben dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und der Aktion Freiheit statt Angst etwa Reporter ohne Grenzen, der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten, der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, die Deutsche AIDS-Hilfe, nahezu alle Journalistenverbände, der Providerverband eco, der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, Netzwerk Recherche, die Neue Richtervereinigung oder beispielsweise der Verbraucherzentrale Bundesverband. Den gemeinsamen Brief (PDF-Datei) an die Bundesjustizministerin und die Liste der unterzeichnenden Organisationen dokumentiert der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung auf seiner Website.

    Quelle: Heise.de

  13. #13
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    Bericht: NSA hat Vorratsdatenspeicherung vorläufig gestoppt

    Der US-Nachrichtendienst National Security Agency (NSA) hat die jahrelange geübte Praxis der Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten bereits im Dezember oder Januar bis auf Weiteres beendet. Dies meldet die Washington Post unter Verweis auf Regierungskreise. Die NSA soll damit möglichen Bedenken des für die Überwachung der Geheimdienstaktivitäten zuständigen US-Bundesgerichts zuvorgekommen sein. Der Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) kontrolliert die Einhaltung eines Gesetzes zur Überwachung der internationalen Telekommunikation im Rahmen der Auslandsaufklärung (Foreign Intelligence Surveillance Act, FISA).

    Das Gericht habe zuvor ein tieferes Verständnis der von der NSA angelegten Datensammlung erlangt, heißt es in dem Bericht. Schon vor einem Jahr war bekannt geworden, dass der Geheimdienst die Telekommunikation auch von US-Bürgern in den vergangenen Monaten stärker überwacht habe, als es die gesetzlichen Regelungen zuließen. Dabei soll es sich nicht nur um Rechtsverletzungen im Rahmen des NSA-Abhörprogramms nach dem 11. September 2001 gehandelt haben, das ein US-Bundesrichter jüngst für illegal erklärte.

    Einige Republikaner im Repräsentantenhaus fürchten nun, dass sich mit der Unterbrechung der Vorratsdatenspeicherung eine Sicherheitslücke auftue. Sie fordern daher eine entsprechende Erlaubnis im Rahmen einer FISA-Änderung. Politiker aus den Reihen der Demokraten setzen dagegen darauf, dass die NSA-Spitze gemeinsam mit dem US-Justizministerium eine rechtskonforme Lösung zum Erfassen von Telekommunikationsdaten ohne Eingreifen des Gesetzgebers findet. Dabei müsse die Privatsphäre der US-Bürger gewahrt bleiben. Gesetzliche Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung zum Zwecke der Strafverfolgung oder der präventiven Aufklärung gibt es in den USA im Unterschied zu Europa nicht. (Stefan Krempl) / (vbr)

    Quelle: Heise.de

  14. #14
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    Vorratsdatenspeicherung light: digitale Kopiergeräte

    Ein Bericht des Senders CBS News sorgt derzeit in den USA für Aufregung: Viele (professionelle, digitale) Kopiergeräte speichern Kopien der Vorlagen auf einer internen Festplatte ab, von wo sie sich später wieder auslesen lassen. Das kann beispielsweise bei einem Verkauf des Kopierers relevant sein, wenn man vergisst, die Daten zu löschen. Die Kopierer speichern das eingescannte Image, um sich bei mehreren Kopien das mehrfache Scannen der Vorlage zu sparen.

    Reporter von CBS haben testweise mehrere gebrauchte Kopierer gekauft und fanden auf (ausgebauten) Festplatten medizinische Berichte, Polizeiberichte, Baupläne, Zahlungsanweisungen und Kopien von Schecks. Teilweise waren Forensik-Programme oder Datei-Restaurierer notwendig, um die Daten wieder herzustellen.

    Neu ist der Sachverhalt jedoch nicht. Ähnlich wie bei den restaurierten Lohnsteuerabrechnungen etwa einer auf eBay ersteigerten Festplatten kehren solche Berichte alle Jahre wieder. Laut CBS soll der Hersteller Sharp im Jahre 2008 in einer Umfrage festgestellt haben, dass immerhin 60 Prozent der Anwender von der Speicherung ihrer Dokumenten auf der Festplatte nichts wussten.

    Prinzipiell muss man zum Zugriff auf die Daten auch gar nicht die Festplatte ausbauen. Viele Geräte haben einen Netzwerkanschluss, über den man per Telnet, Web oder FTP Dateien einsehen oder herunterladen kann.

    Grundsätzlich unterstützen die Hersteller aus Sicherheitsgründen das sofortige (Immediate Image Overwrite, IIO) oder spätere Löschen ( On Demand Image Overwrite, ODIO) der Kopien in den meisten Geräten. Allerdings sind die unter Umständen nur als kostenpflichtige Option nachzuerwerben. Wie zuverlässig dies ist, variiert zudem. Xerox schreibt in seiner Dokumentation beispielsweise, dass das Löschen nicht immer hundertprozentig funktioniert, insbesondere bei unerwarteten Abbrüchen des Kopiervorganges.

    Samsung folgt in der Implementierung der Sicherheitsfunktion in seiner MultiXpress-Reihe sogar Common-Criteria-Vorgaben und überrschreibt die Daten auf der Platte gemäß DoD-Standard 5200.28- M drei Mal. Damit finden auch Forensik-Tools keine verwertbaren Daten mehr. Geschäftskunden sollte etwa bei geleasten oder gemieteten Geräten darauf bestehen, dass die Daten vor der Weitergabe zuverlässig gelöscht werden.

    Das Problem betrifft aber nicht nur den Einsatz im Unternehmen, auch private Anwender im Copyshop sollten sich bewußt sein, dass ihre Unterlagen als Kopie unter Umständen auf der Festplatte landen. Ob das jeweilige Gerät für die sofortige Löschung konfiguriert ist, sollte der Betreiber des Copyshops verraten können. Genau genommen müsste er die Funktion bereits aktiviert haben, weil das Speichern von Unterlagen mit personenbezogenen Daten ohne Zustimmung bereits eine Datenschutzverletzung darstellt. (dab)

    Quelle: Heise.de

  15. #15
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    Vorratsdatenspeicherung auf dem EU-Prüfstand

    Im Internet ist Dokument aufgetaucht, bei dem es sich offenbar um einen Entwurf für den offiziell noch nicht veröffentlichten Evaluierungsbericht der EU-Kommission zur Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten handelt. Die seit März 2009 laufende Evaluation hat ergeben, dass sich 70 Prozent der Abfragen der Verbindungs- und Standortinformationen auf maximal drei Monate beziehen. Dieser Wert steigt auf 85 Prozent, wenn die ersten sechs Monate der Aufbewahrung berücksichtigt werden. In dem Bericht wird daraus gefolgert: "Die Relevanz der Daten sinkt erheblich mit ihrem Alter."

    Die Analyse, die bereits in einem Vortrag eines Mitglieds der Initiative "Europaen Digital Rights" zitiert wird, soll auf 70 Eingaben von Strafverfolgern, Datenschützern, Regierungsbehörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen beruhen. Ein Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström erklärte gegenüber heise online, dass sich der Prüfprozess noch "in einem frühen Stadium" befinde. Die Authentizität des Papiers wollte er nicht beurteilen. Für die Vorlage eines offiziellen Berichts gebe es noch keinen Zeitplan.

    Alle Mitgliedstaaten haben laut dem Papier die "Effektivität der Nutzung der gespeicherten Daten bestätigt". Die in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht zunächst gestoppte Maßnahme helfe in hohem Maße bei der Untersuchung und der Verfolgung von Straftaten. Der Wert der Vorratsdaten vor Gericht müsse aber fallbezogen beurteilt werden: "Es konnten keine quantitativen Daten geliefert werden, welche die positive qualitative Einschätzung" der verdachtsunabhängigen Protokollierung der Nutzerspuren gestützt hätte.

    Tschechien hat laut dem Bericht gemeldet, dass die Verwendung der Daten "die grundlegende Untersuchungsmethode für alle Arten schwerer Straftaten geworden ist". Die Tschechen führen die Liste der Mitgliedsstaaten an, die am häufigsten auf Vorratsdaten zugreifen: 12.744 Abfragen kamen dort 2008 auf eine Million Einwohner. Es folgten Frankreich mit 8646 Zugriffen pro Million Bürgern und Großbritannien mit 7699. Deutschland liegt in dieser Übersicht mit 163 Abfragen pro einer Million Bürgern weit hinten. Hierzulande hatte das Bundesverfassungsgericht den Zugang zu den Informationen bereits vor ihrem Grundsatzurteil weitgehend eingeschränkt.

    Sieben EU-Länder haben laut dem Dokument die Vorgaben aus Brüssel noch gar nicht umgesetzt. In Staaten wie Portugal, Italien oder Polen werde die Vorratsdatenspeicherung zudem erst seit dem zweiten Halbjahr 2009 oder seit Anfang dieses Jahres angewendet. Die durchschnittliche Verpflichtung zur Aufbewahrung der Daten liege bei 12 Monaten. Fünf Länder hätten sich für eine halbjährige Frist entschieden, zwei für 18 und zwei für 24 Monate. Auch die Vorgabe, einen Zugang zur Bekämpfung "schwerer Straftaten" zu gewähren, werde sehr unterschiedlich ausgelegt. In vielen Staaten würden die Vorratsdaten zudem für Zwecke wie die Prävention von Straftaten freigegeben, die nicht direkt von der Direktive vorgegeben seien.

    In zwei Dritteln der überprüften Länder haben laut dem Papier Polizeibehörden Zugriff auf die Daten. Vielfach werde diese Möglichkeit aber auch Zollbehörden oder der Finanzaufsicht eröffnet, in der "Mehrzahl" der Mitgliedsstaaten den Geheimdiensten, auch wenn dies nicht Teil der Richtlinie sei. Ein Land habe gemeldet, dass diese Zugriffe sieben Prozent aller Anfragen ausmachten. Einige Staaten hätten zudem angeordnet, dass "zusätzliche Datenkategorien" etwa zu benutzten Bankkonten zu erfassen seien.

    Die Deutsche Telekom wird zitiert mit der Angabe, 5,2 Millionen Euro für die Implementierung und 3,7 Millionen Euro an laufenden Kosten ausgegeben zu haben für die Archivierung von 40 Terabyte pro Jahr. Sie habe rund 13.000 Anfragen zu Telefon- und 6450 zu Internetdaten herausgeben müssen.

    Der Großteil der EU-Mitglieder habe keine Regeln zur Kostenerstattung für die betroffenen Provider. Einige Länder hätten Ausgleichszahlungen für laufende Kosten bei Abfragen vorgesehen. Geld für Ausgaben zur Aufrüstung der Infrastrukturen der Anbieter gebe es nur in Großbritannien, Finnland und Tschechien.

    Neben Wünschen zur Aufnahme zusätzlicher Informationen über nicht erfolgreiche Anrufe oder den Ein- und Ausschaltzeitpunkt eines Mobiltelefons dokumentiert das Papier auch Bedenken von Bürgerrechtlern, Datenschutzbeauftragten und Providern. Dabei sei teils von "katastrophalen Auswirkungen" auf die Nutzer bis hin zu einem systematischen Vertrauensverlust die Rede. Zudem werde die ausgebliebene Harmonisierung nationaler Rechtssysteme moniert.

    Teil der Befragung war auch die mit der Umsetzung des Stockholm-Programms zur inneren Sicherheit inzwischen geplante bessere Identifizierbarkeit der Nutzer von Kommunikationsdiensten. In sieben Mitgliedsstaaten müssten beim Kauf vorausbezahlter Handykarten Personalien angegeben werden. Eine "große Anzahl" weiterer Länder, von denen drei genannt sind, begrüße Registrierungsauflagen und einen grenzüberschreitenden Austausch von Kundendaten. Damit könne sich der Einsatz einschneidender Maßnahmen wie von IMSI-Catchern oder die Analyse von Kommunikationsmustern erübrigen. Bürgerrechtler bezeichneten Anonymität dagegen als Grundrecht in einer demokratischen Gesellschaft. Der Abschnitt, der Folgerungen aus der Evaluierung ziehen soll, ist in dem Papier ausgespart. (Stefan Krempl) / (anw)

    Quelle: Heise.de

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